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Manfred Kunz

Was ein Jobverlust für die Altersvorsorge bedeutet

Wird man arbeitslos, hat das Konsequenzen für die Vorsorge – je nach Ausgangslage gilt es auf unterschiedliche Dinge zu achten


Obwohl er seit geraumer Zeit ein mulmiges Gefühl hat, freut sich Urs Spirig (Name geändert) nun doch auf seinen 50. Geburtstag. Die mit dem Älterwerden verbundenen Sorgen sind für den Moment in den Hintergrund gerückt. Er hat etliche Freunde zu einem kleinen Fest in seinem Lieblingsrestaurant eingeladen. Doch einen Tag vor seinem Geburtstag wird die Vorfreude auf das fröhliche Beisammensein jäh torpediert: Die Versicherung, bei der Spirig seit 20 Jahren arbeitet, kündigt ihm.


Knackpunkt zweite Säule

Alle Versuche, eine neue Stelle innerhalb des Unternehmens zu finden, scheitern, und die Beraterin im Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum macht ihm wenig Hoffnung, einen seinen Qualifikationen entsprechenden Job zu finden. Spirigs ursprüngliche Sorgen weichen rasch jenen um die finanzielle Zukunft und die Vorsorge für das Alter.


Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist Spirig noch für 30 Tage bei der bisherigen Pensionskasse beitragsfrei gegen Invalidität und Tod versichert. Solange er als Arbeitsloser Taggelder bezieht, die über der BVG-Eintrittsschwelle liegen, ist er automatisch bei der Stiftung Auffangeinrichtung BVG gegen Invalidität und Todesfall versichert, jedoch nur im Rahmen des gesetzlichen Minimums. Ebenfalls automatisch werden ihm die obligatorischen Beiträge für die AHV abgezogen.


Anders sieht es bei der zweiten Säule aus: Wer wie Spirig für eine Frühpensionierung zu jung ist, muss in der Regel aus der bisherigen Pensionskasse austreten. Diese Gelder der zweiten Säule (sogenannte Freizügigkeitsgelder) können auf verschiedene Arten angelegt werden, sagt Liliane Grüter, Inhaberin der LGG Finanzplanung und Vorstandsmitglied vom Finanzplaner Verband Schweiz. Freizügigkeitskonten von Banken bieten zwar eine hohe Flexibilität, werfen allerdings nur mickrige Zinsen knapp über null ab. Sie eignen sich deshalb vor allem dann, wenn die Gelder nur kurz «parkiert» werden. Versicherungen offerieren Freizügigkeitspolicen, die Risiken wie Invalidität oder Tod absichern, was den Zins jedoch zusätzlich schmälert.


Soll das Kapital eine Rendite erzielen, die ihren Namen verdient, muss es ähnlich wie in einer Pensionskasse breit diversifiziert angelegt werden. Banken bieten hierzu Vorsorgefonds mit standardisierten Anlagestrategien an. Handelt es sich dabei um aktiv verwaltete Fonds, sind die Gebühren meist recht hoch. Günstiger fährt man üblicherweise mit einer Lösung, die auf ETF basiert.


Will Herr Spirig die Altersvorsorge fortführen und weiter Kapital ansparen, um Lücken in der zweiten Säule zu verhindern, kann er dies bei der Stiftung Auffangeinrichtung BVG tun, erklärt Grüter. Dazu muss er sich innerhalb von drei Monaten nach dem Ausscheiden aus der obligatorischen Versicherung anmelden. Und er muss dann auch für den Arbeitgeberanteil aufkommen, was schnell zu hohen Beiträgen führt. Ein Vorteil der Auffangeinrichtung besteht darin, dass man sich im Gegensatz zu einer Freizügigkeitslösung bei einer Bank oder einer Versicherung das Altersguthaben auch in Form einer Rente auszahlen lassen kann.


Niedriger Umwandlungssatz

In seit dem 1. Januar 2020 von Einzelpersonen freiwillig abgeschlossenen Vorsorgeplänen berechnet die Auffangeinrichtung das Altersguthaben umhüllend und wendet darauf einen einheitlichen Umwandlungssatz von 4,2% an. Pro 100 000 Fr. Alterskapital ergibt sich eine Rente von 4200 Fr., wobei zum Alterskapital neben dem obligatorischen auch das überobligatorische Guthaben sowie Gelder von Freizügigkeitskonten zählen. Im Vergleich zu umhüllenden Pensionskassen sei der Umwandlungssatz aber recht tief, sagt Florian Schubiger von den Vermögenspartnern. Die PK-Studie von Swisscanto weist einen mittleren Umwandlungssatz von 5,7% für umhüllende Kassen aus. Solange man Arbeitslosengeld bezieht, ist es nicht zuletzt aus steuerlicher Sicht sinnvoll, Gelder in die Säule 3a einzuzahlen. Findet Herr Spirig keine neue Anstellung und wird ausgesteuert, ist das nicht mehr erlaubt. Als Ausgesteuerter muss er AHV-Nichterwerbstätigenbeiträge bezahlen. Sie gelten als abgegolten, wenn seine Ehegattin den doppelten Mindestbetrag zahlt. Bleibt Spirig dauerhaft arbeitslos, wäre es von Vorteil, sich die Freizügigkeitsgelder möglichst spät auszahlen zu lassen, denn Zinsen und Dividenden müssen nicht als Einkommen und das Guthaben nicht als Vermögen versteuert werden.


Bei Freizügigkeitskonten ist grundsätzlich ein Bezug bis zu fünf Jahre vor und nach dem Erreichen des AHV Alters möglich. Bei grösseren Guthaben lassen sich zusätzlich Steuern sparen, wenn die Vorsorgegelder auf zwei Freizügigkeitskonten bei unterschiedlichen Stiftungen eingezahlt wurden und gestaffelt bezogen werden, rät Schubiger. Entscheidet man sich für die freiwillige Fortführung der beruflichen Vorsorge bei der Auffangeinrichtung, ist ein Vorbezug bzw. ein Aufschub der Altersleistung bei neuen Plänen, die ab dem 1. Januar 2020 abgeschlossen werden, nicht vorgesehen.


Folgen einer Frühpensionierung

Mit anderen Fragen wäre Spirig konfrontiert gewesen, wenn ihm in einem Alter gekündigt worden wäre, in dem eine Frühpensionierung möglich wäre. Eine solche sehen viele Pensionskassen zwar schon ab 58 oder 60 Jahren vor, die Renten fallen dann aber deutlich schmäler aus als bei einem Bezug ab dem regulären Pensionsalter. Auch bei der AHV, die sich bis zu zwei Jahre vorbeziehen lässt, sind die Einbussen mit 6,8 Prozentpunkten pro Jahr happig.


In solchen Fällen sei eine individuelle Beratung besonders sinnvoll, sagt Grüter. Weil die letzten Jahre in der Pensionskasse wegen hoher Beiträge und des Zinseszinseffekts besonders wichtig sind, könne es vorteilhaft sein, sich nicht ganz frühpensionieren zu lassen. Nicht selten sei eine Teilpensionierung kombiniert mit einer teilweisen Arbeitslosigkeit besser. So liessen sich hohe AHV-Beiträge für Nichterwerbstätige vermeiden. Um hohe AHV-Beiträge, hohe Steuern und Rentenreduktionen zu umgehen, könne es unter Umständen sogar ratsam sein, eine vom Arbeitgeber angebotene Überbrückungsrente abzulehnen.

«Auch bei einer allfälligen Abfindungszahlung sind die steuerlichen Folgen zu bedenken», ergänzt Schubiger. Diese seien dann wesentlich geringer, wenn die Abfindung einen Vorsorgecharakter habe. Dazu müsse der Versicherte mindestens 55 Jahre alt sein, seine Haupterwerbstätigkeit aufgeben, und die Frühpensionierung müsse eine Vorsorgelücke verursachen.


 


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