Bei der Ruhestandsplanung ist der eigene Marktwert in der Arbeitswelt einzukalkulieren
Quellenhinweis: NZZ, 6. Januar 2020; Autor: Michael Ferber
Wie viel Geld liegt in der Pensionskasse? Wie lassen sich Steuern sparen? Soll ich später eine Rente beziehen oder mir lieber das Kapital auszahlen lassen? Solche finanziellen Fragen beschäftigen viele Menschen, wenn sie sich mit ihrer Altersvorsorge befassen. Daneben gibt es aber einen weiteren Aspekt, der beim Planen für den Ruhestand auf keinen Fall vernachlässigt werden sollte: das eigene Humankapital. Dazu zählen unter anderem Wissen und Bildung, die Qualifikationen auf dem Arbeitsmarkt, das berufliche Netzwerk und die gesundheitliche Verfassung. «Diese Aspekte werden bei der Altersvorsorge oftmals vernachlässigt », sagen Florian Schubiger und Damian Gliott vom Finanzberatungsunternehmen Vermögenspartner. Je mehr Humankapital eine Person vorweisen könne, desto attraktiver sei sie auf dem Arbeitsmarkt – und umso kleiner ist die Gefahr, dass sie von einer längeren Arbeitslosigkeit betroffen ist.
Motivation und Netzwerk
Gesunde junge Personen in der Schweiz hätten oftmals ein hohes Humankapital von mehreren Millionen Franken, sagt Reto Spring, Präsident des Finanzplanerverbands Schweiz. Damit ist die Summe der künftigen Einkommen und Einnahmen einer Person über mehrere Jahrzehnte hinweg gemeint. Bei der Finanzplanung für den Ruhestand gelte es, die zukünftigen Einkommensströme einer Person einzuschätzen.
Dabei stellt sich unter anderem die Frage, wie sicher die Arbeitsstelle eines Versicherten ist. Bei der Einschätzung spielen die Situation von dessen Arbeitgeber und der entsprechende Wirtschaftssektor eine wichtige Rolle. Wenn jemand in einer langfristig sicheren Anstellung bei einer Firma oder beim Staat beschäftigt sei, lasse es sich natürlich besser planen, als wenn jemand in einem «Risikojob» beschäftigt sei, sagen Schubiger und Gliott. Spring gibt zu bedenken, dass manche Stellen auch durch die digitale Revolution gefährdet seien. Dies gelte es bei der Planung zu berücksichtigen.
Auch ein Blick auf das Gehalt ist bei der Planung wichtig. Wer in einem problembelasteten Unternehmen zu den teuren Mitarbeitern gehört, sollte sich beispielsweise darüber Gedanken machen, wie gross die Gefahr einer Entlassung ist und wie ein Ausfall des Gehalts kompensiert werden kann. Aus Sicht des Versicherten gelte es dann bei der Planung der Altersvorsorge einen Sicherheitspuffer einzubauen, sagen Schubiger und Gliott. Wer eine sehr sichere Stelle hat, kann es sich hingegen leisten, bei der Vermögensanlage mehr Risiken einzugehen. Dasselbe gilt auch für die Verschuldung beim Kauf eines Eigenheims.
Wichtig für die Altersvorsorge sind natürlich auch die beruflichen Qualifikationen bzw. der Marktwert eines Arbeitnehmers. Gefragte Fachleute können dabei anders planen als jemand, der beruflich quasi von der Hand in den Mund lebt. Hochqualifizierte finden schnell eine andere Stelle, sollte ihr Arbeitgeber in Schwierigkeiten geraten. Auch haben sie gegebenenfalls die Option, sich selbständig zu machen.
Zum persönlichen Humankapital zählen auch die Motivation und das berufliche Netzwerk. Schubiger und Gliott drücken es folgendermassen aus: «Es gibt Leute, denen beim Verlust ihrer Stelle drei bis vier Telefonate ausreichen, um etwas Neues in Aussicht zu haben. Andere hingegen fallen nach einer Entlassung in ein tiefes Loch und kommen hier länger nicht heraus.» Es sei sinnvoll, sich einen Plan B für den Fall eines Stellenverlusts auszuarbeiten. So gebe es Stehaufmännchen auf dem Arbeitsmarkt und Leute, die schnell den Kopf in den Sand steckten, wenn es nicht laufe. Auch solche Charaktereigenschaften seien bei der Vorsorge zu berücksichtigen. Nicht zuletzt spielt auch die familiäre Situation eine Rolle. So kann von einem Paar mit zwei Berufstätigen beispielsweise ein Partner ein grösseres Pensum annehmen, falls der andere entlassen wird oder sein Einkommen sinkt.
Wichtig ist natürlich auch die gesundheitliche Verfassung einer Person. Ist diese beispielsweise weniger gut oder ist die Arbeit mit grossem Stress verbunden, sollte man bei der Altersvorsorge einkalkulieren, dass sich das derzeitige Pensum möglicherweise nicht auf Dauer von vielen Jahren durchhalten lässt oder dass einmal Einkommenseinbussen drohen könnten. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch ein gesunder Lebensstil. Wer beispielsweise eine Familie ernähren müsse oder eine Liegenschaft zusammen mit seinem Partner gekauft habe, sollte die Folgen eines Todesfalls oder einer Invalidität überprüfen und allenfalls eine Todesfall-Police über die fehlenden Beträge abschliessen, sagen Schubiger und Gliott. Dabei seien die entsprechenden Leistungen aus der ersten und der zweiten Säule zu prüfen. So gebe es zwischen den Pensionskassen oftmals grosse Unterschiede. Allerdings ist dabei auch darauf zu achten, dass man sich nicht überversichert. Zudem ist zu empfehlen, das Alterssparen sowie das Versichern zu trennen. Man sollte also reine Risikoversicherungen abschliessen, um diese Gefahren abzusichern.
Eine wichtige Frage bei der Altersvorsorge ist auch, ob in Zukunft möglicherweise ein Erbe ansteht. Die Schweiz ist schliesslich ein Land der Erben. Gemäss einer Schätzung in einer Studie des Berner Büros für arbeits- und sozialpolitische Studien (Bass) im Auftrag von SRF 2015 beträgt das Nachlassvermögen hierzulande rund 63 Mrd. Fr. pro Jahr.
Gesundheit als wichtiger Faktor
Aus Sicht von Reto Spring kann für manche Personen auch eine Erwerbsunfähigkeits-versicherung Sinn ergeben. Die Invalidenversicherung alleine sei oftmals wenig komfortabel. Dabei gelte es abzuwägen, wie gross die Gefahr einer Erwerbsunfähigkeit in der entsprechenden Branche ist. Unbedingt sei auch die psychische Gesundheit des entsprechenden Arbeitnehmers zu berücksichtigen, schliesslich hätten viele Fälle von Erwerbsunfähigkeit psychische Ursachen. Wenn jemand seine Immobilie nicht mehr halten könne, liege dies in vielen Fällen an einer vorangegangenen Scheidung, sagt Spring. Folglich sei zu empfehlen, wichtige Dinge vertraglich zu regeln und gegebenenfalls auch eine Versicherung in Zusammenhang mit der Hypothek zu prüfen. Zudem sollte man beim Immobilienkauf daran denken, genügend Liquidität zu halten.
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