Jetzt ist ein guter Zeitpunkt, um über Engagements am Anleihemarkt nachzudenken
Die Corona-Krise traf die Anleihemärkte im März mit voller Wucht. Investoren schufen sich Liquidität, indem sie nahezu alles verkauften. Neben Aktien und Hochzinsanleihen traf die Verkaufswelle auch qualitativ hochwertige Schwellenländer- und Unternehmensanleihen. Anleger, die jetzt den Einstieg am Bondmarkt wagen möchten, finden gute Qualität zu angemessenen und teilweise attraktiven Preisen. Im derzeitigen Marktumfeld ist es aber wichtig, selektiv zu sein und die Risiken aufgrund der drohenden Rezession im Auge zu behalten.
Einengung der Risikoaufschläge
Seit Mitte März haben sich die Risikoaufschläge stabilisiert und teilweise leicht erholt. Diese Entwicklung ist auch auf die fiskal- und geldpolitischen Massnahmen zurückzuführen. Vor allem die Obligationenkäufe der Notenbanken waren für die Beruhigung des Kapitalmarktes von grosser Bedeutung. «Im Jahresverlauf werden wir noch deutlich mehr Anleihekäufe sehen», sagt Jörn Wasmund, Leiter festverzinsliche Anlagen bei DWS. Dies werde mittelfristig zu einer weiteren Einengung der Risikoaufschläge – und somit zu Kursgewinnen – führen.
Vor allem im Investment-Grade- Bereich haben sich attraktive Anlagemöglichkeiten aufgetan. Die Ausweitung der Renditeaufschläge von 100 auf derzeit 190 Basispunkte macht dieses Segment für Investoren wieder interessanter. Sehr lange mussten sich Anleger bei Firmenanleihen mit niedrigen und negativen Renditen abfinden – selbst bei niedrigen Ratings und langen Laufzeiten wurden die Risiken kaum kompensiert. Diese Situation hat sich in einigen Bereichen des Kapitalmarkts geändert. Zwar hat sich die konjunkturelle Lage deutlich verschlechtert, und es muss mit zahlreichen Herabstufungen und sogar Ausfällen gerechnet werden – doch ebendiese Risiken würden heute durch deutlich höhere Risikoaufschläge besser kompensiert als vor der Krise, sagt Paul Brain, Head of Fixed Income bei Newton IM, was einen gewissen Schutz vor derartigen Ereignissen darstelle.
Sich die Rosinen herauspicken
Es wird sich wohl auszahlen, jetzt wählerisch zu sein. Es gibt Sektoren, die von der Covid-19-Pandemie profitieren. So haben zum Beispiel der Online-Handel oder das Home-Entertainment in den vergangenen Wochen zugelegt. «Qualitativ hochwertige Firmenanleihen aus dem Investment-Grade-Bereich sind insbesondere vor dem Hintergrund interessant, dass wir von einer U-förmigen Konjunkturerholung ausgehen», sagt Andrew Bosomworth, Leiter des deutschen Portfoliomanagements bei Pimco. Hier sieht er sogar günstigere Bewertungen im Vergleich zu Aktien, weil die Renditen auf Unternehmensanleihen oft höher sind als die Dividendenrenditen, während sie im Insolvenzfall vorrangig gegenüber Aktien sind.
Einige Branchen bleiben aber trotz den höheren Renditen sehr risikobehaftet. Die Auswirkungen der Krise seien naturgemäss in den zyklischen Bereichen am ausgeprägtesten – insbesondere in denjenigen Sektoren, die stark von den Beschränkungen durch die Staaten betroffen seien, wie der Tourismus, der Autosektor, die Fluggesellschaften und auch der Energiesektor, fügt Bosomworth von Pimco hinzu. Anleger sollten dennoch kaum eine Branche völlig ausschliessen, rät der Obligationen- Experte Wasmund. Im qualitativ höherwertigen Bereich findet man attraktive Titel auch im Automobilsektor, bei Flughafenbetreibern oder im Tourismussektor. Diese Branchen sollten von den Stützungsmassnahmen profitieren. Pessimistisch ist er jedoch aufgrund von Nachhaltigkeitsaspekten hinsichtlich der Tabakindustrie.
Banken sind dank Umstrukturierungen und höheren Eigenkapitalanforderungen nach der Finanzkrise nun krisenresistenter. Anleihen aus dem Finanzbereich sind derzeit auch attraktiv bewertet. Ein Risiko stellt der zu erwartende Anstieg notleidender Kredite dar. Zudem drohen allen Branchen angesichts der konjunkturellen Lage Rating- Herabstufungen. Vor allem jenen, bei denen ein Emittent das Investment- Grade-Segment verlässt und in den Hochzinsbereich (Junk Bonds) abrutscht. Eine derartige Verschlechterung kommt mit Kursverlusten einher. Investoren sollten daher zurückhaltend sein bei Engagements in Obligationen mit einem Rating von «BBB–».
Grosse Verwerfungen gab es zwischen Mitte Februar und Mitte März vor allem bei Hochzinsanleihen, also Obligationen mit Rating-Noten, die schlechter sind als «BBB–». Die Renditeaufschläge gegenüber dem risikolosen Zins stiegen von 300 auf 900 Basispunkte. Inzwischen haben sich die Spreads bei rund 650 eingependelt. Emittenten mit geringer Kreditqualität sind in rezessiven Phasen besonders gefährdet, in Liquiditätsengpässe zu rutschen. Die Ausfallraten steigen naturgemäss in solchen Zeiten an. Für Europa werden Ausfälle von bis zu 11%, für die USA sogar solche von 14% erwartet. Trotz dem Renditeanstieg bei High-Yield-Bonds sind diese nur teilweise hoch genug, um das Risiko derart hoher Ausfallraten zu kompensieren. Vor allem bei kleinen und mittleren Firmen rät der Fixed-Income- Experte Brain zur Vorsicht.
Chancen bei Emerging Markets
Anleger haben seit Beginn der Corona- Krise Anleihen aus Schwellenländern abgestossen, was zu hohen Kursverlusten an diesen Märkten geführt hat. Tatsächlich sollten Obligationen von Ländern, die etwa unter dem Rückgang des Erdölpreises leiden, oder solchen mit grossen Budgetdefiziten, die nicht in der Lage sind, die hohen Kosten dieser Pandemie aus eigenen Mitteln zu finanzieren, gemieden werden. Einige Staaten der Emerging Markets sind aber besser gegen die Pandemie gewappnet. Brain und sein Team favorisieren Mexiko, Tschechien, Ungarn sowie Indonesien. Zu Vorsicht rät er bei südafrikanischen und türkischen Staatsanleihen. Marktbeobachter sind sich einig, dass es bei Schwellenländeranleihen sowohl in Lokal- als auch in Hartwährung gute Gelegenheiten gebe, Investoren sollten aber auf qualitativ höherwertige Titel von fundamental stabilen Emittenten setzen.
Weitere interessante Artikel:
Comentarios