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Die wichtigste Frage vor der Pensionierung

Manfred Kunz
Der Entscheid zwischen einer monatlichen Rente und dem Bezug des Kapitals aus der zweiten Säule will wohlüberlegt sein


Im Leben gilt es etliche wichtige Weichen zu stellen. Zu den Entscheiden mit einer grossen Tragweite zählen etwa jene im Zusammenhang mit Ausbildung und Beruf, die Wahl des Partners oder der Partnerin sowie der Kauf einer Immobilie. Und vor dem Eintritt in den dritten Lebensabschnitt gilt es festzulegen, in welcher Form man die Gelder aus der beruflichen Altersvorsorge beziehen will. In der Schweiz hat man dabei die Wahl zwischen einer lebenslangen Rente, dem Bezug des Alterskapitals oder einer Kombination aus beidem.


Frühzeitige Planung wichtig

Jede dieser Alternativen hat ihre Vor- und Nachteile. Wegen der grossen Tragweite des Entscheids raten Finanzplaner, die Frage etliche Jahre vor der Pensionierung anzugehen, idealerweise im Alter von 50 Jahren. So bleibe in der Regel genügend Zeit, um nicht nur die finanziellen Aspekte der Pensionierung zu planen, sondern auch nötige Schritte rechtzeitig in die Wege zu leiten.


Für die Variante Rente spricht, dass sie ein Leben lang regelmässig ausgezahlt wird. Zum Zeitpunkt der Pensionierung ist bekannt, welchen Betrag man monatlich zur Verfügung hat. Die Rente empfiehlt sich deshalb vor allem für Menschen, denen ein hoher Grad an Sicherheit und Planbarkeit wichtig ist. Ist die Rente einmal gesprochen, wird an ihr nicht mehr gerüttelt, und das dürfte auch künftig so bleiben. Selbst wenn die Mittel einer Pensionskasse knapp werden sollten, verfügt das Schweizer Rentensystem über ein Sicherheitsnetz, das dann zum Tragen kommt.


Lässt man sich dagegen das Kapital auszahlen, muss man es selbst anlegen oder verwalten lassen. Wie sich dann das Vermögen entwickelt, ist im Voraus nicht bekannt und damit auch nicht der Betrag, über den man regelmässig verfügen kann. Diese Unsicherheit fällt umso stärker ins Gewicht, je geringer das Alterskapital ist.Aber auch bei einer hohen Summe besteht die Gefahr, die künftige Rendite zu überschätzen.


Unterschätzte Lebenserwartung

Wer nämlich in den ersten Jahren der Pension hohe Beträge entnimmt, etwa für ein Ferienhaus oder für grössere Reisen, riskiert, dass er sich später finanziell stärker einschränken muss. «Viele angehende Rentner unterschätzen ihre Lebenserwartung, weil sie sich an der Generation ihrer Eltern oder Grosseltern orientieren», sagt Reto Spring, Präsident des Finanzplaner-Verbands Schweiz. Gerade für gesunde Personen mit einer hohen Lebenserwartung kann es also sinnvoll sein, sich für den Bezug einer Rente zu entscheiden.

Allgemeingültige Regeln gebe es aber nicht, viel hänge von der Höhe der laufenden Ausgaben ab, erläutert Spring. Beschliesse ein Rentnerpaar zum Beispiel, den Lebensabend in einem Land mit vergleichsweise niedrigen Lebenshaltungskosten zu verbringen, und wohne es dort in einem abbezahlten Eigenheim, reiche möglicherweise die AHV, um den täglichen Lebensunterhalt zu bestreiten. In einem solchen Fall sei es selbst bei kleineren Beträgen unbedenklich, die Altersleistung als Kapital zu beziehen.


Grosse kantonale Unterschiede

Der hohen Sicherheit und Planbarkeit der Rente steht aber auch eine Reihe von Nachteilen gegenüber. Erstens unterliegen Rentenzahlungen vollumfänglich der Einkommensteuer. Beim Bezug des Kapitals muss zwar die ausbezahlte Summe auf einen Schlag versteuert werden, allerdings kommt dabei ein reduzierter Satz zur Geltung. Um die steuerliche Belastung zu mindern, kann es sinnvoll sein, im Vorfeld der Pensionierung eine Hypothek teilweise mit Geldern aus der zweiten Säule zu amortisieren.


Darüber hinaus sollte man vermeiden, sich im Jahr des Kapitalbezugs auch noch das Vermögen der Säule 3a auszahlen zu lassen, da man sonst in eine höhere Steuerprogression rutscht. Befinden sich die Vorsorgegelder im Privatvermögen, unterliegen die Gelder der Vermögenssteuer und Erträge wie Zinsen und Dividenden der Einkommensteuer. Über einen längeren Zeitraum gesehen, schneidet man mit der Kapitalauszahlung aus steuerlicher Sicht deshalb in der Regel besser ab.


Zudem sind die kantonalen Steuersätze teilweise sehr unterschiedlich, so dass es sich lohnen kann, den Wohnort vor dem Kapitalbezug zu wechseln. Bei einer Summe von 1 Mio. Fr. reichen die Unterschiede zwischen den günstigsten Kantonen (Appenzell Innerrhoden, Schaffhausen, Uri und Zug) und den teuersten (Freiburg, Waadt und Zürich) für Ehepaare von 60 000 bis 80 000 Fr.


Der zweite Nachteil der Rente: Die Versicherten vernachlässigen, dass die Rente im Gegensatz zur AHV nicht grundsätzlich an die Teuerungsrate angepasst wird. In den vergangenen 30 Jahren lag die Inflation in der Schweiz bei durchschnittlich 2%. Nimmt man eine ähnlich hohe Inflation für die Zukunft an, sinkt die Kaufkraft der Rente innerhalb von 30 Jahren auf gerade einmal 55%. Selbst bei einer durchschnittlichen Inflationsrate von 1% nimmt die Kaufkraft in diesem Zeitraum noch um 26% ab.


Der dritte Nachteil der Rente manifestiert sich im Todesfall des Versicherten. Eine Rente bzw. das dahinterstehende Kapital kann nicht vererbt werden. Gesetzlich vorgesehen ist eine Rente für den hinterbliebenen Partner in Höhe von 60% der ursprünglichen Leistung. Die Lebenspartnerrente kann eine Pensionskasse jedoch reduzieren, wenn der hinterbliebene Partner deutlich jünger ist und somit zu erwarten ist, dass sie diese Leistung unangemessen lange zahlen müsste. Für Konkubinatspartner ist eine solche Hinterbliebenenrente nicht gesetzlich vorgesehen. Den Pensionskassen ist es jedoch freigestellt, eine solche zu zahlen.

Ob das der Fall ist, kann dem Reglement der Kasse entnommen werden, ebenso wie die Bedingungen, an die eine solche Lebenspartnerrente geknüpft ist. Meist wird gefordert, dass die Lebensgemeinschaft in den fünf Jahren vor dem Ableben des Versicherten bestanden hat oder dass für gemeinsame Kinder gesorgt werden muss. Den Kassen steht es zudem frei, weitere Voraussetzungen in ihr Reglement aufzunehmen.

Der Kapitalbezug bringt mehr Flexibilität als die Rente. Er ermöglicht, grössere Ausgaben sofort zu tätigen, hohe Beträge zu verschenken oder sie eines Tages zu vererben. Im Gegensatz zum Bezug der Rente muss der Kapitalbezug allerdings rechtzeitig bei der Pensionskasse angemeldet werden. In der Regel ist das bis zu drei Jahre vor der Pensionierung der Fall, und eine einmal getroffene Entscheidung kann nicht wieder geändert werden. Von Gesetzes wegen haben Versicherte das Recht, mindestens einen Viertel des obligatorischen Altersguthabens als Kapital zu beziehen, bei den meisten Pensionskassen ist das auch in vollem Umfang möglich.


Rentenrechner helfen

Mit dem Kapitalbezug ist jedoch die Herausforderung verbunden, das Geld so zu investieren, dass man (grössere Ausgaben ausgeklammert) unter dem Strich auf monatlicher oder jährlicher Basis mindestens so viel zur Verfügung hat wie beim Bezug einer Rente. Mit im Internet verfügbaren Rentenrechnern wie jenem auf 123-pensionierung.ch lässt sich einfach herausfinden, bei welcher angenommenen Rendite und Bezugsdauer welche Rente herausschaut.


Schwieriger dürfte es sein, diese Renditen auch zu erzielen. Wer nicht selbst eine Affinität für das Investieren hat, kann dies an einen Vermögensverwalter delegieren, was jedoch in der Regel mit höheren Kosten verbunden ist. Und in jedem Fall muss man mit Marktturbulenzen umgehen können wie den jüngst durch die Coronavirus-Pandemie ausgelösten.

Für viele Versicherte dürfte eine Kombination von Rente und Kapital sinnvoll sein. Die Höhe von Ersterer sollte so gewählt werden, dass sie gemeinsam mit der AHV den Lebensunterhalt gewährleiste, rät Spring. Über das restliche Kapital kann man dann sorgenfrei verfügen. Auch aus steuerlicher Sicht ist das nicht die schlechteste Lösung.

 

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